Olaf Schmidt, Kreuzer 9/2017
Nehmen wir die „Anhaltinischen Delphine“. So betitelt Thomas Kunst den zweiten Zyklus seines Gedichtbands „Kolonien und Manschettenknöpfe“. Immerhin, ein Delfin rettete den Sänger Arion aus Seenot. Aber welche Spezies schwimmt in Anhalt herum? Sollte es nicht überhaupt „anhaltisch“ heißen? Jedenfalls geht es den argentinischen Artgenossen an den Kragen: „Delphin im Sand, vertrocknet, trotz der Rufer. / Touristen, Smartphones, Gier der Bildernetze“.
Lassen wir das. Wer in Kunsts Gedichten nach Eindeutigkeit sucht, kommt nicht weit. Kunst arbeitet mit Anspielungen und Assoziationen, verknüpft Orte, Namen, Dinge, Eindrücke und Ideen, die – auf den ersten prosaischen Blick – nichts miteinander zu tun haben. Das geschieht nicht regellos: Kunst beherrscht die strenge Form des Sonetts ebenso virtuos wie das Prosagedicht. Und indem er einzelne Sentenzen an verschiedenen Stellen wiederholt und variiert, schafft er auch eine gedanklicheRhythmisierung, die alle Gedichte durchzieht und zueinander in Beziehung setzt.
Gerade „welthaltige“ Themen – Umweltzerstörung, Kapitalismuskritik oder die Klage über den korrupten Literaturbetrieb kehren immer wieder. Und so könnte sich die berühmte „Begegnung eines Regenschirms und einer Nähmaschine“ durchaus auch bei Thomas Kunst ereignen. Aber seine Lyrik gleitet nie ins Absurde ab, wird niemals zur l´art pour l´art. Denn Kunst glaubt nach wie vor an die schöpferische und weltverändernde Macht der Dichtung.
Und der „Zauberstab der Analogie“ von dem Novalis sprach, hat seine magische Kraft keineswegs verloren. Alles Seiende ist einander ähnlich; es gibt einen Zusammenhang aller Zeiten, Räume, Gegenstände und Ideen, von materieller und geistiger Welt. Der Dichter aber deckt die verborgene Verwandtschaft aller Dinge auf. Das tut Thomas Kunst.
Und erweist sich als Romantiker reinsten Wassers.
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